Vor 138 Jahren las der Wetzlarer Theodor Bergmann in einer Zeitschrift eine derart anregende Schilderung des berühmten Universitätsrennens zwischen Oxford und Cambridge, dass er beschloss, einen Ruderclub zu gründen. Am 1. Juni 1880, einem Sonntag, fuhr er gemeinsam mit einigen Freunden nach Gießen, um sich bei der dortigen Rudergesellschaft darüber zu informieren, wie man einen Ruderclub ins Leben ruft. Die Gießener ließen die jungen Leute probeweise im Boot mitfahren und kehrten abends mit ihnen gemeinsam in einer Wetzlarer Gaststätte ein. Dieser Tag gilt heute als offizielles Gründungsdatum des Wetzlarer Ruderclubs 1880.
So konnten also die Wetzlarer Ruderer im Jahr 2005 ihr 125-jähriges Bestehen feiern, und sie taten dies am ersten Juliwochenende mit zahlreichen Höhepunkten:
Am Samstag fand im Rahmen eines Tages der offenen Tür der erste sog. Lahn-Cup statt, den die Wetzlarer Mannschaft im
Doppel-Vierer mit Steuermann denn auch standesgemäß vor den Mannschaften aus Gießenund Weilburg gewannen. Die Sieger durften ihre Trophäen, auf hessisch: Raddadelche aus den Händen des
Olympiasiegers von 1972 Johann Färber entgegennehmen. Selbstverständlich gab es zur Feier des Tages auch eine Bootstaufe, die Firma Ruderwerkstatt Werner Kahl spendierte zum Jubiläum einen C-Line
Vierer und am Abend eine Jubiläums-Party mit Kabarett und Tanz.
Beim feierlichen Festakt am Sonntag konnte RGW-Vorsitzender Reinhard Groh aus der Hand von Oberbürgermeister Wolfram Dette die Sport-Plakette des Bundespräsidenten in Empfang nehmen. Der Vorsitzende des Deutschen Ruderverbandes Helmut Griep, Wetzlars Bürgermeister und Sportdezernent Klaus Breidsprecher, der Vorsitzende des Hessischen Ruderverbandes Hans Bruchmeier und zahlreiche weitere Gäste würdigten die Leistungen des Vereins. In einer bewegenden Rede blickte Festredner Siegfried Fricke, Olympia-Teilnehmer von 1976, auf 125 Jahre Vereinsgeschichte zurück Er erinnerte an Zeiten, als es in Wetzlar zwei Rudervereine gab, weil das Grundgesetz des Deutschen Ruderverbandes von 1883 alle Männer von Verbandsrennen ausschloss, welche ihren Lebensunterhalt durch ihrer Hände Arbeit verdienten. Die auf diese Weise Ausgeschlossenen gründeten den Ruderverein von 1919. Erst 1947 kam es zur Vereinigung der beiden Wetzlarer Vereine unter dem Namen Rudergesellschaft Wetzlar. In seiner Festrede betonte Fricke den Mannschaftscharakter des Ruderns, der jedes Mitglied des Teams einer klaren Rollenverteilung und Disziplin unterwerfe und weder Torschützenkönige noch Fouls kenne. Er forderte mehr Anerkennung für das Ehrenamt als Beitrag zur nötigen Werte-Diskussion in der Gesellschaft: In der Wertschätzung des Ehrenamtes kommt ein Teil unseres eigenen Selbstverständnisses zum Ausdruck und ebenso in der Wertschätzung der Menschen, die sich im Ehrenamt engagieren.
Musikalisch stilvoll umrahmt wurde der Festakt von Schülerinnen und Schülern der Goethe-Schule Wetzlar. Die
Schirmherrschaft der Jubiläumsfeiern hatte mit Jörg Siebert ein weiterer ehemaliger Olympiasieger mit Wetzlarer Wurzeln übernommen, Beweis für die äußerst erfolgreiche Sportgeschichte der RGW,
die auch heute fortgeschrieben wird.
Für die nächsten Jahrzehnte gab Siebert dem Verein mit auf den Weg:
Damals wie heute zählt im Grunde genommen doch nur das eine, nämlich: das Engagement des Einzelnen, seine Überzeugungskraft, seine Identifikation mit der Idee, die hinter jedem Verein
steht. Nur dadurch erhält jeder Verein sein eigenes, sein unverwechselbares Gesicht.